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Interview: "Nachhaltigkeit - Nicht handeln ist keine Option"

Interview zum Thema Nachhaltigkeit
Foto: © WIGOS - Miriam Loeskow-Bücker

Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt für die Unternehmen rasant an Bedeutung. Um Unternehmen in diesem Prozess zu unterstützen, hat die WIGOS die kostenlose Impulsberatung „Nachhaltigkeit“ aufgelegt, die Unternehmen Ansätze bieten und die nachhaltige Ausrichtung der Unternehmen des Osnabrücker Landkreises vorantreiben soll. Samuil Simeonov, externer Berater der WIGOS, erläutert, wie Unternehmen in dieser sich entwickelnden Landschaft erfolgreich agieren können.

Herr Simeonov, die Thematik Nachhaltigkeit gewinnt derzeit rasant an Bedeutung. Was sind die Gründe dafür?

Man kann schon gut beobachten, wie sich die Präsenz der Thematik im Zuge der Corona-Pandemie verändert hat. Hierbei spielen viele Faktoren zusammen: Erstens hat Corona gezeigt, dass der starke Eingriff in das Ökosystem auch Risiken für Wirtschaft und Gesellschaft mit sich bringt. Begründet werden kann das nicht nur, weil die Ressourcen knapper und die Lieferketten fragiler werden, sondern auch weil viele Menschen entlang der Wertschöpfungskette – Mitarbeitende, Konsumenten, etc. – andere Erwartungen und Möglichkeiten haben, gegen nicht nachhaltiges Wirtschaften vorzugehen. Ein Beispiel in puncto Erwartungen ist das Umdenken jüngerer Menschen zu einem verstärkten Bewusstsein für Nachhaltigkeit – sowohl beim Konsum bestimmter Güter als auch bei der Arbeitssuche.


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Zweitens greifen auch Medien das Thema auf: Während es früher ein paar spezielle Ausgaben gab, hat heute fast jede große Zeitung eine Rubrik oder andere Formate, die sich mit ESG-relevanten Themen (ESG= Environmental, Social and Governance) beschäftigen.

Drittens – und vermutlich der stärkste Treiber – sind die regulatorischen Anforderungen. In den letzten drei Jahren ist ein dichtes Netz an Regulierungen entstanden, wovon 80 Prozent der Unternehmen zumindest indirekt betroffen sind. Der bekannteste Begriff hier ist die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz CSRD), aber auch Vorschriften wie die EU-Taxonomie, die Entwaldungsverordnung oder das Lieferkettengesetz dominieren den Diskurs. Damit einher geht der immer stärkere Druck nach Transparenz seitens der Finanzwirtschaft. Diese muss selbst regulatorische Anforderungen erfüllen und braucht dafür Informationen und Daten der Realwirtschaft. Die wachsende Berücksichtigung von ESG-Kriterien durch Investoren beeinflusst also auch diesen Trend.

Was bedeutet das Thema Nachhaltigkeit für die Unternehmen?

Für Unternehmen bedeutet Nachhaltigkeit ein neues Set von Regeln, die sie im betriebswirtschaftlichen Alltag integrieren sollen. Dabei verkennen viele, dass die Regeln und Anforderungen nicht nur von Seiten der Politik kommen. Auch Kunden und Finanzdienstleister fragen vermehrt nach Informationen und Daten hinsichtlich ESG-Themen. Oft wird Nachhaltigkeit auf die Bereiche Klima und Energie reduziert. Wie ESG andeutet, ist die Thematik aber eigentlich viel breiter zu verstehen. Sie ist auch vor allem für Unternehmen von strategischer Bedeutung. Alle Unternehmen sollten für sich folgende Fragen beantworten: Welche Rolle will ich im Nachhaltigkeitsspiel übernehmen? Welche strategischen Vor- und Nachteile hat eine aktive Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit?

Unternehmen können und sollten ESG-Themen auch aus einer finanziellen Perspektive als Hebel nutzen. Oder es zumindest versuchen. Denn die steigenden Anforderungen werden in der Zeit nicht abnehmen. Sich mit Sorgfaltspflichten, CO2-Bilanzen oder Berichterstattung zu beschäftigen, wird früher oder später die meisten Unternehmen einholen. Dabei ist eine der zentralen Herausforderungen für Unternehmen, all diese Anforderungen unter einen Hut zu bringen.

Am Anfang ist es wichtig, sich einen guten Überblick zu verschaffen. Üblich ist, das Ergebnis in Form eines mittelfristigen Fahrplans, auch Roadmap genannt, darzustellen. Die Roadmap gibt Orientierung über die notwendigen nächsten Schritte und Meilensteine für die nächsten zwei bis drei Jahre. Nach diesem ersten Schritt können Teams gebildet und konkrete Maßnahmen definiert und umgesetzt werden. Die frühzeitige Auseinandersetzung mit Themen wie der kommenden Berichterstattung (CSRD/ESRS) ist daher sehr ratsam, z.B. in Form einer Impulsberatung von der WIGOS und cyclos future.

Warum ist es für die Unternehmen jetzt so wichtig, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen?

Eins sollte mittlerweile nicht mehr infrage gestellt werden: Nicht handeln ist keine Option. Das Aussitzen birgt hohe finanzielle Risiken, beispielsweise bei der Fachkräftegewinnung und -haltung, bei der Kreditvergabe, in Form von Strafzahlungen oder Reputationsschäden für mögliche Nichteinhaltung geltender Vorschriften. Das sind Risiken, die kein Unternehmen haben möchte. Zudem gibt es eine nicht zu unterschätzende positive Seite des Ganzen: Gerade am Anfang kann die Arbeit an ESG-Themen zu sichtbaren und relativ schnellen Erfolgen führen. Diese können z.B. in Form von steigender Energieeffizienz, einer Reduktion der Prozesskosten und einer Verbesserung des Images spürbar werden. Das könnte für manche Unternehmen eine Motivation sein, sich auf den Weg zu machen.

Für die Fortgeschrittenen stellt sich die Aufgabe, die eigene Strategie und Geschäftsmodell zu überdenken und an die bereits jetzt erkennbaren Trends anzupassen. Die aktive Reflexion des eigenen Geschäftsmodells sowie die Anpassung der strategischen Ausrichtung auf Basis der wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen stehen im Kern der neuen Transparenzpflichten, wie z.B. der CSRD. Die Gesellschaft möchte, dass sich Unternehmen bewusst werden, was sie für positive und negative Auswirkungen auf Markt, Mensch und Umwelt haben und welche Chancen und Risiken daraus entstehen.

Das Handeln als Vorreiter hat weitere Chancen. Beispiel: Wenn Sie das erste Unternehmen sind, das ein 100% kreislauffähiges Geschäftsmodell in Ihrer Branche hat, bringt Ihnen das Aufmerksamkeit, Wettbewerbsvorteile und möglicherweise Mitarbeitendentreue sowie gute Kunden-Lieferanten-Beziehungen. Wenn Sie aber erst dann damit starten, wenn die Mehrheit bereits unterwegs ist, ist so ein Geschäftsmodell nicht nur wenig besonders, sondern eher eine notwendige Bedingung, um überhaupt im „Spiel“ zu bleiben.

Unter dem Strich ist der Aufwand eines Vorreiters und eines Nachzüglers relativ gleich. Nachzügler haben manchmal die Gelegenheit, aus den Fehlern der Vorreiter oder aus deren guten Beispielen zu lernen. Doch am Ende ist der Zeitfaktor auch finanztechnisch relevant. Wenn das Unternehmen kein Fachwissen und keine Expertise aufgebaut hat, ist es möglicherweise auf externe Unterstützung angewiesen. Da es generell an langjähriger Expertise im Bereich fehlt, werden auch solche Dienstleistungen zum gewünschten Zeitpunkt zukünftig und zur Deckung des unternehmensspezifischen Bedarfs immer schwieriger zu finden sein.

Welche Rolle spielt die gesellschaftliche Verantwortung eines Unternehmens?

Zunächst stellt sich die Frage, was wir unter gesellschaftlicher Verantwortung verstehen. Geht es um freiwillige Tätigkeiten oder Initiativen jenseits des Kerngeschäfts, sog. Bürgerschaftliches Engagement mit positiven Auswirkungen auf das Gemeinwesen? Geht es um die Stärkung gesellschaftlichen Zusammenhalts? Geht es darüber hinaus auch um die Ethik des Geschäftsgebarens, also um die Unternehmensführung? Oder ist mit gesellschaftlicher Verantwortung das nachhaltige Wirtschaften gemeint? Der Begriff ist nicht ganz klar definiert. Im Grunde genommen sollten alle nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen auch im gleichen Zug gesellschaftlich verantwortungsvoll agieren.

Wenn wir mit gesellschaftlicher Verantwortung die Förderung des regionalen Gemeinwesens meinen, hat das eine Wirkung über das Kerngeschäft hinaus. Auch wenn es freiwillig ist, steigert dieses Engagement auch langfristig den Unternehmenswert. Wird ein Unternehmen bspw. als guter Arbeitgeber und guter Bürger betrachtet, punktet dieses möglicherweise bei der Suche nach Fachkräften oder Geschäftspartnern sowie andere Anspruchsgruppen wie der Lokalpolitik. Damit geht oft eine positive Medienresonanz her, die sich auch wirtschaftlich nutzen lässt.

Wie kann die WIGOS Impulsberatung Nachhaltigkeit die Unternehmen im Landkreis zu unterstützen?

Die WIGOS Impulsberatung Nachhaltigkeit bietet Unternehmen im Landkreis vielfältige Unterstützung: Zunächst trägt sie maßgeblich zur Sensibilisierung für das Thema bei. Deutlich wird, dass Nachhaltigkeit in all ihren Dimensionen weit über Energiesparmaßnahmen hinausgeht. Durch die Verdeutlichung der aktuellen Situation lässt sich die Frage klären, warum Nachhaltigkeit für Unternehmen bereits jetzt ein wichtiges Entscheidungskriterium für den betrieblichen Alltag darstellt. Hierdurch wird das Thema auch in den Führungsebenen sichtbar und zunehmend relevant. Die Impulsberatung verdeutlicht, warum Geschäftsführungen das eigene Geschäftsmodell nachhaltiger gestalten sollten.

Der regionale Bezug der WIGOS und cyclos future ermöglichen die Aufnahme von spezifischen Standortbedingungen. Die Berücksichtigung regionaler Tendenzen und räumlichen Besonderheiten erlaubt einen ausdifferenzierten Blick auf Nachhaltigkeitsthemen und relevante Schnittstellen. Außerdem wird an dieser Stelle die Perspektive dahingehend erweitert, welche Bedeutung regionale Tendenzen für andere Unternehmen und Organisationen in der Region haben. Die WIGOS Impulsberatung Nachhaltigkeit bietet mit gezielten Maßnahmen eine erste Unterstützung für Unternehmen im Landkreis, ihren Einstieg in nachhaltiges Handeln zu finden und sich erfolgreich in dieser sich wandelnden Landschaften zu positionieren.

Herr Simeonov, vielen Dank für das Gespräch. Mehr Informationen zur WIGOS Impulsberatung Nachhaltigkeit unter www.wigos.de/nachhaltigkeitsimpuls

Bildunterschrift:

Berater Samuil Simeonov (2.v. li), Imke Brockmann und André Schulenberg (re.) von der WIGOS unterstützen Unternehmen im Rahmen der Impulsberatung Nachhaltigkeit.

Foto: Miriam Loeskow-Bücker


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